Die Familie

 

Vor einigen hundert Jahren lebte in einem kleinen Ort in der Thüringer Ackerebene eine Familie von Landarbeitern, die die Kunst beherrschten, die meist aus Holz bestehenden Gegenstände ihres Lebens selbst herzustellen und zu reparieren. Daraus entwickelte sich ein richtiges Handwerk. Um 1800 herum werden sie in alten kaum noch lesbaren Unterlagen als Handarbeiter und dann als Stellmacher und Tischler geführt.

 

Die Natur fügte es so, daß es überwiegend männliche Geburten gab, und davon nicht zu wenig. So wurde aus der Landarbeiterfamilie eine Familie von "Holzwürmern", wie sie oft selbst scherzhaft sagten.

 

Später dann, als sich das Bild der Ackerebene wandelte, ernährte das Dorf und die Landwirtschaft so viele Männerhände nicht mehr, immer mehr Zweit-, Dritt- usw. -geborene verließen den Ort, siedelten sich in den Städten der Umgebung an und wechselten meistens auch den Beruf, denn Metall und andere Werkstoffe fanden Eingang in den Lebensbereich der Menschen. Die Zeit des industriellen Umbruchs führte zu „Auswanderungswellen“, z. B. in Richtung Mühlhausen, Worbis und rund um den Kyffhäuser.

 

Die Söhne Wilhelm Gerlachs, geboren ab 1859, wurden in die Zeit des großen Wandels hineingeboren. Die meisten verließen Hof und Ort der Geburt. Wurden Eisenbahner, Kaufleute und Angestellte. Immer aber trugen sie das Gefühl der Zusammengehörigkeit der großen Familie mit sich und die Erfahrungen des Überlebens der Großfamilie auch unter rauen Bedingungen, wenn sie neue Familien gründeten.

 

Einer von ihnen zog nicht weg und ließ sich in der nahegelegenen Stadt Greußen nieder. Das Leben entwickelte sich nun ganz anders, Landwirtschaft spielte nur noch eine Nebenrolle. Die Werkstatt war nun die eines Drechslers. Die Nachkommen aber litten wie viele deutsche Familien unter den Folgen zweier Kriege, die bei den jungen Söhnen zu Spätfolgen in Form schwerer Krankheiten führten. Die Geschwisterzahl ging zurück. Die letzte Mädchengeburt liegt nun schon 112 Jahre zurück! Der Enkel schon verließ den Beruf und wurde Angestellter, der Urenkel – ICH – setzte diesen Weg fort. So begann es...